Hast du Angst vor dem Tod? Es gibt vielerlei Geschichten und Bilder, die vom Tod über die Jahrhunderte hinweg von den Menschen gemalt und erzählt wurden. Heutzutage fühlt es sich an, als würden diese Geschichten zwar zunehmend verstummen, gleichwohl beschäftigen sie uns weiterhin, vielleicht aber eher auf einer unterbewussten Ebene.
Vor Kurzem habe ich angekündigt, das Thema Tod ein wenig mehr zu beleuchten, auch in dem Versuch, es – beziehungsweise ihn – ein Stück weit aus dem gesellschaftlichen Tabu hervorzuholen. Heute beginne ich mit einer kleinen Geschichte zu meinem persönlichen Verhältnis zum Tod und einem möglichen Leben danach. Denn das eine ist, was «die Gesellschaft» denkt oder dachte, das andere – und viel Wichtigere – ist, was wir selbst tief im Inneren glauben.
«Unsterblichkeit? Keinen Rappen gebe ich darum! Wir wollen hübsch sterblich bleiben!» –Hermann Hesse
Das Nichts
Eigentlich hatte ich nie Angst vor dem Tod. Ich fühlte mich viel mehr ein bisschen wie Hermann Hesse’s Harry Haller aus dem «Steppenwolf». Zwar auch ohne zu starke Todessehnsucht, aber in dem Sinne, als dass ich den Tod als etwas Erlösendes empfand. Ich stellte mir vor, dass, wenn wir sterben, einfach alles vorbei sei, endlose Stille, Ruhe und Frieden, aber ohne bewusstes Erleben dieser. Eher wie im Tiefschlaf, bloß ohne wieder aufzuwachen. «Nichts» sozusagen. Nicht mehr sein. So stellte ich mir den Tod vor.
Auf der einen Seite lag das sicherlich daran, dass ich eine Erziehung genoss, die mir nicht von klein auf Angst vor dem Sterben machte, ich also keine Bilder und Glaubenssätze inhalierte, die ich später eventuell eher mühsam hätte aufdröseln müssen und zum anderen an meiner inneren Struktur. Ebenfalls ähnlich wie Harry Haller erfuhr ich das Leben und vor allem mich, mein Innenleben, als äußerst schmerzvoll, verworren und zerreißend, sodass es mir als tröstlich erschien, sollte dieses Leben eines Tages zu Ende gehen, ohne jedoch, dass ich mich dem Thema Tod ernstlich annahm, das bedeutet, dass ich nicht wirklich bewusst darüber nachdachte, sondern es eher ein unterschwelliges Gefühl war.
In den letzten Jahren, zunächst im Zuge einiger Recherchen über den Transhumanismus und später zunehmend intensiver durch die schwere Diagnose eines geliebten Freundes, beschäftigte ich mich bewusster mit dem Tod. Unter anderem mit Nahtoderfahrungen – ich kann gar nicht sagen, wie viele Berichte ich mir dazu angesehen und durchgelesen habe, vielleicht um die hundert oder mehr – und den Forschungen hierzu von Raymond Moody. Zudem sah ich Berichte, in denen teilweise Kinder von ihren vorigen Leben erzählten, sich an ihre Omas erinnerten, die bereits vor ihrer Geburt starben, folgte Erzählungen von Kontakten ins Jenseits, über Fakten, die die mediale Person nicht hätte wissen können, las mit Begeisterung die Bücher von Jane Roberts, die Seth channelte und bei all dem spürte ich etwas Wahres. Etwas in mir reagierte, fühlte sich berührt, vielleicht sogar selbst erinnert.
Jedenfalls kam ich, auch durch den Beginn meines eigenen spirituellen Prozesses und nicht zuletzt natürlich meinem Glauben an die Seele, zu der Überzeugung, dass der Tod meines Freundes nicht das Ende seines Seins bedeutete. Dieser Glaube schenkte mir zwar auch Trost, doch ging er zudem darüber hinaus. Ich glaubte es wirklich. Ich war mir so sicher, wie man sich eben sicher sein kann bei diesem Thema, dass er noch in anderer Form da sein würde; und es freute mich, nach all den Erfahrungsberichten, die ich mir über das Sterben angesehen hatte, dass er in Liebe und voller Glück und Freude, gänzlich ohne Schmerz und Angst, auf der anderen Seite empfangen werden würde. Dass es ein Heimkommen werden würde, dass er sich erinnern würde an sein wahres Sein.
Doch was dieser Anteil in mir, der sich so sehr für ihn freute, vergaß, war, dass es nach wie vor einen anderen Anteil in mir gab: den, der selbst nicht wollte, dass es weiterging.
Das Leben nach dem Tod
Alle anderen betreffend, war es für mich eine große Freude, zu wissen, dass es weiterginge, für alle diejenigen, die Angst haben, dass alles vorbei sei, für die, die am Leben hängen und gerne sind. Aber für mich selbst hatte ich doch eigentlich gehofft, dass es nicht weiterginge. Und als diese beiden Anteile das erste Mal in meinem Bewusstsein aufeinanderprallten, sich gegenseitig entdeckten, konnte ich förmlich einen lauten Knall hören. Es war wie eine Art innere Explosion oder ein Stromschlag, ein Kurzschluss und es überfiel mich die geballte Angst vor dem Tod. Das, was ich anderen so sehr wünschte, dass es weiterging, löste in mir entsetzliche Panik aus, mein nur halbbewusster eigener Trost- und Rettungsanker, mein Strohhalm, an den sich ein Anteil von mir klammerte, und der mir durch dieses Leben half, der Glaube daran, eines Tages nicht mehr zu sein, fiel schreiend vor Schmerz und Verzweiflung in sich zusammen, während er gleichzeitig zu explodieren schien.
Nachdem ich einen Moment brauchte, um diese beiden Anteile in meinem Bewusstsein halten zu können, fing ich an, mich zu sammeln und mich dort Schritt für Schritt umzusehen. Was genau löst diese unbeschreibliche Angst aus? Weder der eine, noch der andere Anteil glaubte an eine Art Hölle oder einen strafenden Gott oder ein anderes strafendes Wesen. Der eine Anteil glaubte ja sogar, dass es eine wunderschöne Erfahrung sein würde und doch blieb diese Angst.
Es war nicht leicht, mich in diesen Gefühlen konzentrieren zu können, aber ich strengte mich an und überlegte weiter: Was wäre das für mich persönlich schlimmste Szenario in meinem «Leben nach dem Tod»?
Körperliche Schmerzen sowie die Androhung dieser konnten es schon mal nicht sein, den Körper hätte ich bis dahin bereits hinter mir gelassen. Waren es schreckliche Bilder, Dämonen, doch eine Art «Hölle», die etwas in mir verängstigen könnten? Nein, ohne die Angst vor physischem Schmerz ergab das für mich keinen Sinn. Da könnten noch so ulkige Dämonen um mich herumschwirren, sie könnten mir ja nichts anhaben, außer mir Angst einzujagen – und das war es. Nicht die Dämonen, sondern Gefühle! Das, was außerkörperlich nur möglich wäre, wären Gefühle und Gedanken. Vielleicht war das Schlimmste, allein in einem stillen, dunklen Raum, dem «Nichts» gefangen zu sein mit mir selbst – ohne Schlaf, ohne Pause, ohne Ablenkung. Und das für immer.
Dieses Bild war tatsächlich das für mich furchteinflößendste, dieses Bild war meine «persönliche Hölle». Auf ewig allein mit mir und den entsetzlichen Gedanken und Gefühlen, die ich selbst mit Ablenkung kaum aushielt. Die Form meines bisherigen Seins, vor der ich mich auf tiefer Ebene durch den Tod zu befreien gehofft hatte – mir selbst schutzlos ausgeliefert zu sein.
Sicher, ist sicher
Mir mein schrecklichstes Bild auszumalen, diesen Raum zu betreten und Kontakt mit dieser Angst aufzunehmen, war vielleicht mit das schmerzhafteste und zugleich mutigste, das ich je getan habe. Zugleich machte ich mir bewusst, dass es nur der Worst Case war, dass es auch anders kommen kann. Aber dadurch, dass ich so tief getaucht bin, konnte ich handlungsfähig werden, denn dieser Worst Case gab mir zwei Möglichkeiten: Entweder ich entscheide mich dafür, weiterhin in irgendeiner Form zu warten und hoffnungsvoll zu bleiben, dass der Tod mich von meinem Leid erlöst – und wenn nicht, musste ich spätestens dann damit leben lernen – oder ich fing gleich damit an.
Warum lange warten und mich auf etwas verlassen, das mir keine hundertprozentige Sicherheit geben kann? Zum ersten Mal in meinem Leben wurde mir auf allen Ebenen bewusst, dass ich dafür verantwortlich bin, dass es mir mit mir selbst gut, oder zumindest besser geht. Und wenn ich das schaffe, wenn ich es gut mit mir aushalte, vielleicht sogar für immer, dann kann mir im Außen doch eigentlich gar nicht mehr viel passieren. Zu Lebzeiten könnten mir dann zwar noch physische Schmerzen zugefügt werden, aber darüber hinaus könnte mich kaum einer mehr wirklich ärgern, mich nichts mehr zutiefst ängstigen. Nicht einmal der Tod.
Paradoxerweise erkannte ich auch, dass die Angst, die ich als meine persönliche Angst vor dem Tod identifizierte, gleichwohl meine eigentliche Angst vor dem Leben darstellte. Die Angst vor mir selbst.
Seit diesem Tag stelle ich mich mir, meinen Gedanken und Gefühlen und übe mich auszuhalten, mehr noch, mich zu mögen, mein Freund zu werden, jemand, mit dem ich ewig gemeinsam Zeit verbringen könnte, ja vielleicht sogar wollte – jemand, den ich liebe.
Sicher, ist sicher ;-)
Was wir denken, das wir glauben
Seitdem ist über ein Jahr vergangen und ich habe keine Angst mehr vor dem Tod und ich glaube auch nicht an das Worst Case Szenario, sondern daran, dass wir, wie in all den Berichten erwähnt wurde, in Liebe empfangen werden. Zugegeben, vor dem Leben fürchte ich mich schon noch ein bisschen, aber ich bin mir mittlerweile ein Freund geworden, lerne, meinen «Steppenwolf» oder besser meine Steppenwölfe, zu zähmen, ohne sie zu disziplinieren, kontrollieren oder zu konditionieren, sondern, indem ich im Gegenteil bemüht bin, alle Begrenzungen und Verbote in mir aufzuheben, und mich weiterhin «todesmutig» in jedes noch so beängstigende Gefühl hineinzustürzen, um mich kennenzulernen und mich meinen Ängsten vor mir selbst zu stellen. Und dieses Mal habe ich wirklich keine Angst mehr vor dem Tod – stand heute zumindest.
»Ich suche Freunde. Was bedeutet ›zähmen‹?« »Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«
– Antoine de Saint-Exupéry, Der kleine Prinz
Mir fiel auf, dass ich zwar zuvor eine Meinung darüber hatte, mehrere anscheinend sogar, aber ich lernte durch diese und weitere Situationen, dass es einen sehr großen Unterschied macht, zwischen dem, was ich denke zu glauben, dem, was ich glauben möchte und dem, was ich wirklich glaube. Das, was wir wirklich glauben, liegt manchmal ziemlich tief vergraben und Zugang dazu finden wir gelegentlich eher durch unsere Gefühle, als durch unseren Verstand.
Hast du Angst vor dem Tod? Hast du dir da mal Gedanken zu gemacht, beziehungsweise, dich in die Frage hineingefühlt? Wenn du magst, teile gern deine eigenen Erfahrungen und Gedanken mit uns in den Kommentaren.
Alles Liebe,
Anna
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Vielen Dank für diesen interessanten Artikel über einen weiteren Blickpunkt auf den Tod. Wundervoll! Ich habe mich gerade in den letzten Monaten - seitdem ich eine innere, absolute Gewissheit habe (keine Ahnung woher sie kommt - sie war plötzlich da), dass der physische Tod nicht das Ende ist - mit Nahtod-Erlebnissen, Büchern wie von Raymond Moody oder auch Dr. Alexander Eben, Anita Moorjani, beschäftigt. Aber gerade die Beschäftigung damit hat mir gezeigt, dass man nach dem Tod nicht allein ist. Für mich fühlt es sich stimmig an, dass man zurückkehrt zur Quelle, Gott, Creator - wie auch immer es nennen möchte.
Die Vorstellung allein hinter dem Vorhang zu sein fühlt sich für mich nicht richtig an. Noch schlimmer finde ich aber, dass man uns inzwischen immer mehr das Gefühl vermittelt, dass wir auch hier in der materiellen Welt allein sind, ohne Anbindung an das Göttliche. Faszinierend, wie man durch dieses "sich Gedanken machen" von einem Thema zum nächsten kommt und immer wieder dazu lernt - v.a. über sich selbst.
Bei mir mündete diese Gewissheit, dass das Bewußtsein weiterlebt, in die Beschäftigung mit Reinkarnation. Und DAS machte mir allerdings Angst - große Angst. Ich habe Angst davor immer wieder hier auf dieser Erde oder auch woanders zu "landen" und immer wieder diese Polarität auszuhalten. Noch schlimmer ist dann noch das Gerede von Karma! Ich denke mir dann immer: wie ist Lernen möglich, wenn ich alles Wissen, alle Erfahrungen, Lehren und Erlebnisse aus vorherigen Leben vergesse? Wie soll ich verstehen, woher das sogenannte Karma kommt und wo es hingeht???? Gibt es das tatsächlich? Aber eines ist für mich das Essentielle und Alexander Eben hat es in seinem Buch "Blick in die Ewigkeit" sehr gut ausgedrückt: "Das Om hat Verständnis für und Sympathie mit unserer menschlichen Situation, und zwar tiefgehender und persönlicher, als wir uns das überhaupt vorstellen können, denn das Om weiß, was wir vergessen haben, und versteht, was für eine schreckliche Bürde es ist, auch nur für einen Moment ohne jede Erinnerung an das Göttliche zu leben".
Es ist eine sehr große Bürde, wenn man keine Erinnerung an das Göttliche hat! Dieses Wissen ist doch die einzige Möglichkeit dem Leben ohne Angst zu begegnen, oder?
Auf der anderen Seite - ach nein, lassen wir das - ich komme schon wieder zu weiteren Fragen, die letztlich erstmal mit dem Tod nichts zu tun haben, sondern eher mit dem Leben.
Ich wünsche jedem einzelnen von Herzen, dass er spätestens im Angesicht des Todes diese Bürde ablegen kann und absolut und sicher weiß, dass das Göttliche, die Quelle allen Seins, existiert und ihn mit offenen Armen aufnimmt.
Lieben Dank für dein Teilen. Momentan habe ich Angst vor dem Tod auch wenn ich glaube, dass wir wie du schreibst in Liebe empfangen werden. Momentan habe ich Angst davor, weil es mir gesundheitlich nicht gut geht, ich mich verlaufen habe auf meinem Weg und fühle, dass ich noch nicht das auf die Erde gebracht habe wozu ich hier bin. Ja vielleicht ist es aber eher die Angst nicht genug gelebt zu haben als zu sterben. Die Angst Reue zu fühlen oder wie derzeit im Unfrieden zu sein, so wie es derzeit ist. Ich wünsche mir in den Frieden zu finden und mich erfüllt zu fühlen, wenn ich sterben und manchmal hab ich Angst davor, dass mir das nicht gelingt. Dafür darf ich mich im loslassen üben auch die Vorstellungen über mich selbst. Ich wünsche mir sehr, dass ich noch lange leben darf und weiß, dass ich mich selbst in diese körperliche Schwäche gebracht habe, mir das zu verzeihen ist schwer, doch wohl der einzige Weg mehr in Frieden zu finden. Ich finde es schön, dass du dem Thema offen begegnest und ich finde es wichtig sich darüber auszutauschen, den Schmerz über die Endlichkeit in diesem Körper auch zulassen zu können. In mir ist da die Sehnsucht, dem Thema auch offener zu begegnen und es zu integrieren, weil wir davor nicht flüchten können. Die Angst vor dem Leben kenne ich auch zu gut. Die Angst vor mir selbst und vor dem was durch mich fließen möchte. Ich liebe das Leben und gleichzeitig überfordert es mich manchmal so sehr in diesem Körper zu sein und all das zu fühlen was weh tut. Dennoch die Erde ist für mich ein Ort voller Wunder und ich wünsche mir noch viele davon zu erleben. Alles Liebe an Dich. Silke