Hinter jedem Wunsch steht der Wunsch nach einem bestimmten Gefühl
– und was am Ende wirklich zählt
«Glücklich ist also der, der viel zu lieben vermag. Lieben aber und Begehren ist nicht ganz dasselbe. Liebe ist weise gewordene Begierde; Liebe will nicht haben; sie will nur lieben.» –Hermann Hesse
Als wir Kinder waren, waren die Augen oft größer, als die Vernunft. Das Spielzeugauto musste es sein, diese Puppe, ist die tollste und schönste, die ich je gesehen habe. Unsere Eltern wussten es bereits besser, aber wir wollten es nie glauben: Nach ein paar Tagen, oder spätestens Wochen, lag das neue Lieblingsstück irgendwo in der Kiste bei all den anderen Spielsachen – die Freude war kurz.
Jetzt, da wir erwachsen sind, wissen wir es eigentlich besser. Vielleicht haben wir bereits selbst Kinder und versuchen ihnen dieses Wissen aus Erfahrung beizubringen. Doch ebenso häufig verlieren auch wir uns wieder in Wünschen und Sehnsüchten, in Zielen und Begehren im Außen. Natürlich ist es nicht mehr die Supermanfigur oder die elektrische Eisenbahn; es sind Schuhe, Kleider, Autos, Urlaube, Beziehungen und Jobs, die wir uns wünschen.
Jeder Wunsch aber, den wir uns erfüllen, führt zu einem neuen. Jedes Ziel, das wir erreichen, schafft Platz für ein weiteres. Sei es, dass die Freude nur von kurzer Dauer war, oder weil wir enttäuscht sind, da sich der Urlaub als anstrengender entpuppte, als wir ihn uns vorgestellt hatten oder der neue Partner doch auch einige Ecken und Kanten hat. Also wieder: Neuer Urlaub, neuer Partner, alles noch mal von vorn.
Manchen geht es vielleicht wie mir; ich habe mein Glück sogar in einem anderen Job in einem anderen Land gesucht, doch ich musste ernüchtert feststellen, dass ich auch mich selbst dorthin mitnahm. Was eigentlich ja völlig logisch ist, aber zu einer harten Erkenntnis werden kann, zumindest wenn doch ein, zwei innere Anteile gehofft hatten, dass sich durch die großen äußeren Veränderungen auch innerlich so viel verändert, dass die eigene Gestimmtheit etwas leichter wird. Gleichzeitig sind genau diese Bauchlandungen im Leben häufig die, die uns zu wirklichen Veränderungen verhelfen.
Was suchen wir in unseren Zielen und Wünschen?
Eigentlich suchen wir nämlich nicht das schicke Auto, die teure Uhr oder den Sechser im Lotto. Wir suchen ein Gefühl. Das Gefühl, das wir uns vorstellen, das wir haben, wenn wir dies oder jenes im Außen erreichen, besitzen oder verändern.
Wir suchen nicht den perfekten Partner, sondern das Gefühl geliebt, geborgen und verstanden zu sein. In all den möglichen Konsumprodukten, von denen wir uns wünschen, sie uns leisten zu können, suchen wir Bestätigung, Stolz, Anerkennung, Trost oder Wertschätzung, selten aber das Paar Schuhe.
Oft ist uns das sogar irgendwie bewusst und wir erkennen, dass wir uns eigentlich nach Glück sehnen. Wir wollen glücklich sein. Doch Glück ist flüchtig, vor allem aber, wenn wir es nicht selbst im Inneren herstellen können. So jagen wir von einem kurzen Glück nach dem nächsten. Manchmal suchen wir sogar nach noch stärkeren Gefühlen, nach Ekstase und Rausch. Aber erinnerst du dich daran, als du dich das letzte Mal im rauschenden Glück befandst? Dieser Zustand kann nämlich gar nicht lange aufrechterhalten werden; die Hormone sind irgendwann ausgeschöpft und würde dieser Zustand noch weiter andauern, würden wir spüren, wie anstrengend und erschöpfend diese Energie auf Dauer wäre.
Ein paar Mal habe ich diesen Zustand im letzten Jahr während meines Kundaliniprozesses erlebt. Meine Energiezentren, die Chakren, schossen starke positive Gefühle durch mein System und anfangs war es wundervoll, doch nach einer gewissen Zeit wurde es beinah schmerzhaft. An Schlaf war nicht zu denken und der Kontrast zwischen Gefühl und Stimmung wurde immer größer. Ich sehnte mich nach Ruhe. Nach einem Gefühl, das angenehm und erträglich war. Ich sehnte mich nach Frieden und Entspannung.
Suche nach Zufriedenheit
Wahrscheinlich ist es uns allen auf einer bestimmten Ebene bewusst und wir haben schon ältere oder sterbende Menschen sagen gehört, dass es am Ende nicht auf das teure Auto oder die gewonnene Diskussion ankommt. Nicht mehr auf die großen Gefühle, sondern auf eine innere Zufriedenheit. Auf eine Annahme und Akzeptanz dessen, was ist. Und doch leben wir in der Regel mit dieser Schon-mal-gehörten-und-auch-verstandenen-Weisheit, doch vergessen sie in all unseren alltäglichen Dramen, Wünschen und Konflikten, bis wir eines Tages selbst alt sind.
Durch die Konfrontation mit Krankheit, Leid und Tod, sowie meinem eigenen inneren «Sterbeprozess», brachte mich das Leben dazu, mich mit diesem Frieden zu beschäftigen. Ihn zu suchen und auch immer wieder zu finden. Letztlich ist er Kern meiner eigenen Reise. Wie finde ich Frieden in mir? Und wie kann ich ihn halten und auch Frieden mit der Welt schließen? Darum geht es auch in meinen Texten und Videos, denn die kurze Antwort «Akzeptanz» ist zwar richtig, aber sie erklärt noch nicht die inneren Prozesse, die es dazu braucht, um an sie heranzukommen – und auch zu fühlen.
In Teilen der spirituellen Szene – und darüber hinaus – scheint es für einige zu genügen mit solch knappen Schlagworten um sich zu werfen, doch zumindest bei mir persönlich stellten sich bei der Umsetzung doch eben die Herausforderungen und Fragen, die inneren Anteile, Ängste und Abwehrmechanismen zwischen mich und meinen Frieden. All dem zu begegnen, sich zu verlaufen oder auch abschrecken zu lassen, um sich kurz darauf mit neuem Mut wieder dem inneren Geschehen zu stellen, ist doch der eigentliche Prozess, der viel tiefer geht als das bloße Verstehen.
«Ich wollte ja nichts als das zu leben versuchen, was von selber aus mir heraus wollte. Warum war das so schwer?» – Hermann Hesse
Die lieben Dramen des Lebens
Nachdem ein geliebter Mensch stirbt, kann sich die Welt unendlich leer und banal anfühlen. «Das Leben geht weiter» ist in dem einen Moment irgendwie einigermaßen tröstlich, im anderen ist es schlicht nicht zu begreifen. «Wie können denn alle einfach so weitermachen, als wäre nichts gewesen?»
Wie eine sehr alte Frau fühlte ich mich, als ich Freunde und Bekannte in ihren alltäglichen Dramen beobachtete. Beziehungskonflikte, Diskussionen über Kleinigkeiten, was gibt es zu essen, wohin geht die nächste Reise, warum ist er nie pünktlich, warum hört sie nie zu - und so fort.
Ich fühlte mich, als stünde ich vor einer dicken Glasscheibe, die uns voneinander trennt und auf gewisser Ebene empfand ich tiefe Liebe für all diejenigen. Die sehr alte Dame in mir dachte: «Ach Kinder, wenn ihr wüsstet, wie wertvoll – und gleichzeitig banal – all diese kleinen und großen Streitigkeiten und Probleme doch sind. Wenn ihr wüsstet, wie sehr ihr das eines Tages vermissen könntet, dann würdet ihr euch sofort versöhnlich in die Arme fallen und ihr würdet erkennen, wie viel wichtiger es ist, Frieden zu schließen.»
Dieser Zustand, in dem ich mich befand, schien mir zunächst widersprüchlich. Auf der einen Seite vermisste ich die Dramen des Lebens, auf der anderen Seite erkannte ich, dass es – zumindest für mich – mittlerweile um etwas ging, das mir wertvoller erschien. Um Ruhe und Frieden. Aber ich sah auch, dass sich beides im Leben nicht ausschließt. Denn wenn ich diese Perspektive einmal einnehmen konnte, konnte ich von da an üben, beides zu vereinen.
Unser Leben ist eine lange Reise geschmückt mit Herausforderungen, «Fehlern», Erfahrungen und einer Menge vermeintlicher Dramen. Die Kunst ist es vielleicht, das Bedürfnis nach Frieden im wirren Alltagsgeschehen nicht zu vergessen. Sich immer mal wieder, wenn man sich in Verstrickungen verirrt, zu erinnern, dass sie dazu gehören und niemals so ernst sind, wie sie sich in dunklen Momenten anfühlen. Bewusst dankbar darüber zu sein, sich überhaupt mit seinen Geliebten streiten zu können und doch währenddessen die Liebe nie aus den Augen zu verlieren.
Die Leichtigkeit in all der Schwere zu finden, das Leben zu leben und es in seinen Intensitäten auszukosten, aber immer wieder zu sich selbst in den sicheren Hafen findend, das Geschehen von einer inneren Insel aus Geborgenheit wahrzunehmen und wissend zu genießen.
Daher möchte ich mit diesen Gedanken keineswegs sagen, es sei «falsch», Ziele oder Wünsche zu haben, ihnen zu folgen oder den Rausch zu suchen. Sie gehören zu unserem Weg und schenken uns sowohl Vergnügen als auch wertvolle Erfahrungen. Gleichzeitig können wir aber erkennen, dass es im Leben in der Regel um Gefühle geht. Wir laufen vor Situationen davon, um bestimmte Gefühle zu vermeiden und ersehnen wiederum andere Situationen, um bestimmte Gefühle zu erzeugen.
Wenn wir dazu noch verstehen, dass wir selbst diejenigen sind, die durch unsere Gedanken unsere Gefühle erzeugen, nimmt das ganze Spiel eine bedeutsame Wende.
„Weisheit ist nichts als eine Bereitschaft der Seele, eine Fähigkeit, eine geheime Kunst, jeden Augenblick, mitten im Leben, den Gedanken der Einheit denken, die Einheit fühlen und einatmen zu können.“
– Hermann Hesse
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Alles Liebe, Anna
«In der Stille passiert am meisten» – Über Schweigen und Wachstum im spirituellen Prozess (YouTube)
Liebe Anna,
vielen Dank für Deine offenen Worte. Du sprichst mir aus der Seele.
Herzliche Grüße
JT
Am Ende zählt nur die Liebe und die Freude. Freude schwingt übrigens viel höher als Liebe!
Deshalb so oft wie möglich in die Freude gehen und aus der Freude heraus manifestieren! =))))))
Mit sich selbst und der Welt zufrieden zu sein ist eine hohe Kunst!
Alles Liebe und Gute! =))))))))))
Herzliche Grüße,
Dominik