«Oft dachte ich, der Grund für Misserfolg und Krankheit läge darin, dass ich das Gefühl hätte, ich würde nicht genügen. Aber meine tiefste Angst ist nicht, dass ich nicht genug bin – es ist die Angst, dass ich noch viel mehr bin und kann.
Wie Marianne Williamson sagt: Es ist nicht die Dunkelheit, die uns Angst macht und vom Leben abhält – es ist unser inneres Licht.»
– Gunnar Kaiser, Juli 2022
Ein Leser kommentierte meinen letzten Beitrag «Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt» mit folgenden Worten: «Er [der Text] bietet nicht zuletzt eine Erklärung für die Tatsache, dass es nicht eigentlich die Angst vor der Dunkelheit ist, die uns lähmt. Sondern die Furcht vor der eigenen Unendlichkeit.»
Heute möchte ich versuchen, mit euch noch etwas tiefer in die Angst vor dem eigenen Licht einzutauchen. Was fürchten wir wirklich?
Zweifel
Im vorigen Beitrag ging ich bereits auf die Zweifel als möglichen Teil – oder sogar Ursache unserer als dunkel empfundenen Gefühle und Gedanken ein. Sie sind unter anderem der Nebel, der zwischen uns und dem Erkennen unseres wahren Wesens, unserer Vollkommenheit und dem Gewahrsein unserer Unendlichkeit liegt – wobei er dennoch und zugleich Teil all dessen ist. Im vermeintlich Dunklen verbirgt sich unser Mut, unsere Kraft und unser Wissen, so dass das Dunkle das Lichte birgt, woraus wir schließen können, dass es das Licht ist, das uns ängstigt.
Aber bereits die Aussage, dass wir unendliche, multidimensionale Wesen aus reiner Liebe sind, kann Teile in uns einschüchtern. Wie sähe das denn aus? Was müsste ich dafür tun? Sind die sicher, dass das bei jedem so ist? Auch bei mir? Woher kann ich das wissen? Wie kann ich da hin kommen, das auch zu spüren? Mache ich etwas falsch?
Da sind sie wieder, die lieben Zweifel. Und ich persönlich kenne die Begegnung mit jenem Anteil, der wie ein kleines, schüchternes Mädchen zu Boden sieht, beschämt mit der Fußspitze im Sand zeichnet und sich fragt, ob denn auch in ihr Lichtes sei, sehr gut. Einmal war die Berührung mit ihr so nah, dass ich das Gefühl hatte, das Licht sei direkt bei uns, wir müssten uns nur eben umdrehen, ich spürte es förmlich am Hinterkopf: eine weiche, warme, tatsächlich leuchtende Energie. Doch es überkam uns eine starke Angst: «Was, wenn du dich täuschst? Was, wenn da doch nichts Lichtes in mir wäre?», fürchtete die Kleine. «Was wäre, wenn du mir nur versuchst einzureden, dass ich wundervoll sei, weil du mich trösten oder mir Mut machen möchtest, aber was passiert, wenn ich anfange, dir zu glauben und am Ende feststellen muss, dass all das nicht wahr ist? Was dann? Wie sollte ich das ertragen?» Und ich blieb mit ihr und hielt sie lange im Arm; sehe ich doch all ihre Wunden, all die Enttäuschungen, die sie bereits erfahren hat, all ihren Schmerz und ihren Mut, ihre Tapferkeit und auch ihre Weisheit. Sie lud mich durch ihre Worte und ihre Gefühle ein, in diesem Raum mit ihr zu verweilen. Für sie war es in dem Moment am sichersten. Sicherer, in den Zweifeln zu bleiben, als den Sprung ins Ungewisse zu wagen – und das ist in Ordnung. In den Zweifeln ist sie zu Hause, das kennt sie, das kennen wir. Vor allem bieten sie auch immerhin zumindest die Möglichkeit, wir seien bedingungslos geliebt, ja sogar selbst bedingungslose Liebe.
Ein oder zwei andere, auch eher kindliche Anteile, waren etwas genervt, sie wollten gerne in das Licht springen und herausfinden, wie es da so ist und sie zeigten sich leicht ungeduldig. Aber durch das reine Gewahrsein ihrer, schienen sie zu verstehen, dass wir jeden mitnehmen, in unserem ganz eigenen Tempo und dass es überhaupt nichts nütze, an einem «Fortschritt» zu zerren. Jetzt, da ich das Erlebte in Worte fasse, fühle ich wieder tiefe Liebe und Dankbarkeit, all meinen inneren Anteilen und dem Heilungsweg im Ganzen gegenüber.
Angst vor dem Unbekannten
In dieser Situation erlebte ich also, dass ich gar nicht unbedingt Angst vor dem Licht hatte, sondern davor, dass es nicht da ist. Nicht in mir ist und nicht für mich ist. Zugleich ist es das Unbekannte, dem sich etwas in mir ausgesetzt sah, nicht wissend, was auf mich zukäme.
Die Angst vor dem Licht ist somit unter anderem die tiefe Angst vor dem Unbekannten und diese wiederum finden wir Menschen – in ihrer vielleicht stärksten Form – ebenfalls in der Angst vor dem Tod. Und wenn wir uns diese beiden Ängste einmal nebeneinander – und als die gleiche – bewusst machen, kann man erahnen, auf welchen tief verängstigten Grundpfeilern der Transhumanismus baut. Er will sich eine sichere, «perfekte» Scheinwelt innerhalb all der Zweifel und Ängste kreieren, in der Hoffnung, er könne sich ihrer dadurch entledigen. Das «Licht» – im Sinne von Selbstwert und Selbstliebe – versucht er selbst zu «erschaffen», indem er bemüht ist, durch technologische Korrektur der eigenen Mangelhaftigkeit und Leidensfähigkeit eben diese zu überwinden. Die Angst vor dem Tod versucht er zu umgehen, indem er bereit und gewillt ist, das Leben endlos zu verlängern. Aber das ist eine andere Geschichte…
Neben der Angst vor dem Unbekannten scharen sich weitere Ängste, die wie Fäden ein Netz spinnen und unser Licht gedimmt halten, da es auf gewisse Weise bequemer ist, sich ihnen nicht zu stellen. Die Angst vor Gefühlen, vor Ablehnung, Angst vor der eigenen Schöpferkraft sowie die Angst vor der dazugehörigen Verantwortung oder Freiheit zum Beispiel, die ihrerseits ineinander verwoben sind. Ja, es kann tatsächlich Todesängste hervorrufen, sein Sein und damit jegliche Sicherheit abzugeben im Tausch gegen – ja, das ist es ja gerade: Wir wissen es nicht – glauben wir.
Denn ich frage mich, ob es uns wirklich unbekannt ist, das Licht. Wie kann es das sein, wenn wir unendliche Wesen sind? Haben wir nicht vielmehr nur vergessen, dass wir einwilligten, eine Erfahrung auf dieser Erde zu machen, ohne uns an unser wahres Sein und unser Potential zu erinnern? Es scheint uns also nur unbekannt, obwohl es tatsächlich natürlich nicht so ist, denn wir sind das Licht.
Da wir aber das Licht aus der menschlichen Perspektive – der Perspektive des Vergessens – heraus als etwas doch irgendwie Separiertes von uns zu betrachten neigen, ängstigt es uns. Es entsteht das Gefühl, wir würden dafür etwas aufgeben oder loslassen müssen, das uns doch zuvor das Gefühl gab, dass wir es seien: die Illusion samt all ihrer Zweifel. Wer bin ich noch, wenn all das von mir geht? Licht scheint nur derjenige zu sein, der ganz und gar erleuchtet ist. Also ein Zustand weit weg von uns «normalen» Menschen.
Der «lange» Weg
Doch letztlich kommen die Kleine(n) und ich langsam aber sicher in diesem Licht an –oder vielleicht zumindest an seiner Aura; in dem Gewahrsein dessen, dass wir das Licht sind. Mit oder ohne Angst, mit oder ohne Zweifel. Einfach so, wie wir sind. Ganz behutsam tasten wir uns vor, schauen uns um, halten immer wieder inne in jedem der sich entfaltenden Räume. Wir müssen nicht von der sprichwörtlichen Klippe springen, um einmal endlich und für immer «im Licht» zu sein. Wir nehmen jedes Gefühl, jeden Zweifel wahr und nehmen ihn in unser Herz auf. Es gibt kein zu langsam. Erst recht nicht, wenn man immer mehr erfährt, was es bedeutet, bewusst zu sein.
Einige Seelen gehen diesen «längeren» Weg, obwohl das sicherlich auch eine recht relative Betrachtungsweise ist. Die Seelen, die sich minutiös genau in den Räumen der Dunkelheit, des Schmerzes, der Hoffnungslosigkeit und Zerrissenheit aufhalten, sich umsehen und im eigenen Bewusstsein und Körper Lösungen für schwerste Zustände finden, sind vielleicht eben unter anderem gerade die Grenzgänger, Lichtarbeiter und Heiler. Sie finden eigene Wege aus den scheinbar unlösbaren Labyrinthen, weil sie sich trauen, sich mit jeder Faser ihres (Bewusst-)Seins an diese Orte zu begeben. Somit erleuchten sie die widrigsten aller Räume und dienen dem Gesamten auf einzigartige Art und Weise.
«Und wenn wir unser eigenes Licht Erstrahlen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben, wird unsere Gegenwart ohne unser Zutun andere befreien.» – Marianne Williamson
Versteckspiel
In manchem Moment, da ich dieser wunderbaren, lichten Energie gewahr wurde, sie aber alsbald wieder verschwand, musste ich herzlich lachen, weil mir irgendeine Erkenntnis kam; ein Anteil zum Beispiel, der mir zuzwinkerte und zu verstehen gab, dass hier oder dort noch etwas zu tun sei. Lachen musste ich, weil es so vertraut war, als erinnerte ich mich immer mehr daran, dass ich diese Verstecke selbst ausgesucht habe und gerade mein eigenes Spiel spiele.
Meine Seele hat sich ganz genau überlegt, was sie bereits weiß und kann, und wie sie in diesem Leben ihre Fähigkeiten, ihre Erfahrungen und ihr Wissen verfeinern kann. Sie weiß beispielsweise, wann – und dass – ich irgendwann ungeduldig werde und genau damit arbeiten wir. Es ist nicht falsch, Ungeduld oder jegliche andere Regung in sich zu spüren, es ist auch nicht falsch zu verzweifeln. Wir sind immer da, wo wir sein sollen und wollen, immer da, wo das nächste Puzzlestück oder der nächste Schatz versteckt ist. Und je tiefer die Schätze vergraben und desto mehr es an der Zahl sind, desto schwieriger ist das Spiel. Doch ebenso bedeutet es, dass wir es uns zutrauen, weil wir wissen – oder etwas in uns weiß und wir uns immer mehr erinnern –, wer wir wirklich sind.
Ab und an finde ich dieses Spiel auch unendlich doof. Dann bin ich an einem Punkt, an dem ich wie ein trotziges Kind das Spielbrett vom Tisch stoße, die Arme verschränke und aufstampfe. Ich spiel nicht mehr mit! So! Blödes Spiel! Da spielt jemand gegen mich! Das will ich nicht, ich will, dass es einfach ist! Pöh!
Und genau das ist (auch) Wachstum. Genau in diesen Phasen, in denen ich das Spiel und den Spielpartner – in gewisser Weise eben mich selbst – nicht mehr als gewinnbringend, freudvoll oder liebend empfinden kann, wenn es raus geht aus der bisherigen Komfortzone und die Anteile sich aufs Spielfeld trauen, die noch Samen der schmerzlichen Gedanken und Gefühle bergen, wachsen und heilen wir. Denn wir erinnern uns, dass das Licht im Schatten zu finden ist.
Farbenspiel
Das Lichte ist also nichts, was weit weg von uns ist. Wir sind es. Und zwar nicht erst, wenn wir frei von irgendetwas sind. Je mehr Schatten wir aber in Licht verwandeln, desto heller leuchten wir auch. Und das Unbekannte ist nicht unbekannt, also bleibt von der Angst vor dem Unbekannten nur noch die Angst. Nichts anderes.
Letztlich sind es dann Mut und Vertrauen uns all dem Erfahrbaren zu stellen, uns von Licht und Schatten zu verabschieden und unsere Farben zu entdecken – so wie weißes Licht ein Bündel aus allen Farben ist – und mit all unseren Farben raus zu gehen und zu strahlen. Zu uns zu stehen, uns auch verletzlich zu zeigen, aus dem Herzen zu sprechen und zu handeln, und der Angst davor, abgelehnt zu werden, vielleicht zunächst Tag für Tag wieder zu begegnen, bis sich auch das körperliche Gedächtnis mit der Zeit von ihr befreien kann. Zumindest für mich ist dies immer noch ein Üben – und das ist okay.
«Das Dasein ist köstlich, man muss nur den Mut haben, sein eigenes Leben zu führen.»
– Peter Rosegger
Authentizität wird an mancher Stelle auch als das höchste Ziel des Erwachensprozesses beschrieben. Nicht ewiger Frieden oder Liebe sei die stärkste Energie, sondern das Ausdrücken der ureigenen Seele durch unseren menschlichen Geist und unseren physischen Körper. Verbunden zu sein mit unserer Essens, losgelöst von fremden und eigenen Erwartungen und Ängsten: frei, unverfälscht, im Einklang. Ob das jedem gefällt? Ganz sicher nicht. ;-) Und wahrscheinlich geht es unter anderem auch genau darum, das zu lernen. Zumindest für mich.
Hierin wieder eine Art Spiel zu sehen und Kritik oder Gegenwind zwar mit wachem Auge, vor allem aber mit Humor zu nehmen, erleichtert den Weg ungemein — Eigensinn macht Spaß. Daher überlasse ich die letzten Worte in großer Dankbarkeit Hermann Hesse und Gunnar Kaiser:
Quelle Zitat Gunnar Kaiser:
"... wenn es raus geht aus der bisherigen Komfortzone und die Anteile sich aufs Spielfeld trauen, die noch Samen der schmerzlichen Gedanken und Gefühle bergen, wachsen und heilen wir. Denn wir erinnern uns, dass das Licht im Schatten zu finden ist."
Liebe Anna, du Licht, du leuchtender Stern in der Dunkelheit 💫 Von Herzen danke🙏❤️ Dein Text durchdringt und durchleuchtet den Raum des Körper-Geist-Seele Wesens, das wir sind... Ist so voll von analytischem Weit-/Klar- und Durchblick, von Hellsicht, von Weisheit. Ja, DU bist Licht. WIR sind Licht. Gunnar war und ist Licht, das weiter kraftvoll leuchtet... Du hast so klare Worte für das gefunden, was ich so gut kenne (manches davon überwunden habe) und was nicht besser zu beschreiben ist, als wie du es hier in deinem Text beschrieben hast. Und mich damit bereichert hast, zum Weinen und Schmunzeln gebracht hast. DANKE🙏
Ganz viel Liebe zu dir ❤️💫💫💫
oh ja, wenn es hinaus geht aus der Komfortzone und ich spüre, dass ich Angst habe vor dem, was sich durch mich zeigen möchte. Es ist, als ob ich selber meinen ureigenen Ausdruck erst durch einen Qualitätscheck schicken möchte, bevor er sich der WElt zeigt ... und dieses, ich lasse los und ich lasse mich selber mit allen anderen zeitgleich überraschen, was sich da ureigenst zeigen möchte, das empfinde ich als extremst mutig und spannend und erfüllend zugleich.