Aus unterschiedlichen Gründen zog ich es schon immer vor, nicht zu viel unter Menschen zu sein. Durch meinen Kundalini-Prozess hat sich noch mehr Rückzug eingestellt, als es generell schon der Fall war und seit gut einem Jahr gehe ich all-in. Ich habe mich entschieden, oder etwas in mir hat entschieden, dass mein Leben mit all meinen inneren und äußeren Schwierigkeiten so nicht weitergehen kann und ich stehenbleiben, mich umdrehen und mich mir stellen will - und muss. Dieser Prozess findet in mir und mit mir statt, und gleichzeitig hoffe ich und fürchte ich, oder weiß ich, dass irgendwann eine neue Phase kommen muss, in der ich auch wieder mehr nach außen gehen werde.
Mittlerweile war ich mehrmals an dem Punkt, dass ich merke, ich komme nach wie vor nicht gut zurecht mit nahem Menschenkontakt, außer mit den paar lieben Freunden, die schon vor dem letzten Jahr da waren. Gewisse Anteile oder eher Ängste, werden von Zeit zu Zeit laut, die da sagen, ich müsse doch wieder zurück in die Menschenwelt, ich müsse springen und mich überwinden - ja nichts weniger als mich zwingen-, Menschen kennenlernen und “normal” sein, denn: offensichtlich mache ich ja nach außen hin überhaupt keine Fortschritte! Diese Anteile bauen dann einen ganz gehörigen inneren Druck auf. Du müsstest und du solltest sind ihre liebsten Formulierungen.
Aber wisst ihr was? Ich muss gar nix ;-)
Und niemand, der diesen intensiven Weg geht, muss irgendwas. Genauer noch: Niemand muss irgendetwas. Genau darum geht dieser innere Prozess: Sich zu verabschieden von Müssen, Zwängen und Zweifeln und mehr und mehr in den Frieden und das Mitgefühl mit sich selbst zu kommen. Okay zu sein mit sich, egal, ob man leistet oder normal ist. Was ist schon normal in dieser Welt?
Darüber hinaus gibt es Phasen im Leben, die unterliegen ihrem ganz eigenen Tempo und sogar ihrer eigenen Intelligenz und Weisheit. Wie sagt man so schön? Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.. Diese Phase, ich nenne sie hier den Kokon, ist vielleicht oder wahrscheinlich das Herzstück des gesamten Prozesses, auch wenn es sich nicht so anfühlen mag, es ziemlich verwirrend und dunkel ist, der Nebel einem keinerlei Sicht bietet auf ein “Wann habe ich wieder eine Aussicht? Wann kann ich mein Leben weiter planen? Wie geht das ganze hier aus und bin ich überhaupt auf dem richtigen Weg? Wo bin ich denn eigentlich? - Und wer?”
Verstand und Vertrauen sind hier immer wieder in ziemlich starken Konflikten, weil der Verstand die Kontrolle übernehmen möchte und alle Fragen beantwortet wissen will, wohingegen ab und an etwas leise flüstert: Vertraue..! Das ist dem Verstand egal, der will wissen, wem oder was man denn vertrauen soll und vor allem “Hallo?! Warum?”, denn anscheinend haben wir uns hier ja festgefahren, in diesem Dunkeln.
Scheinbar…
Denn was ich unter anderem in diesem Prozess lerne, ist, dass es unendliche mögliche Blickwinkel gibt. Und sicher, einer davon ist der, den die Angst einnimmt, häufig in Form von Ärger, also dem inneren Kritiker. Aber der innere Kritiker und alle anderen Anteile und Blickwinkel wollen geheilt und nach Hause geholt werden. Ein Zeichen dafür, dass man gerade in einem dieser Anteile steckt, ist das fehlende Vertrauen sowie die fehlende Sicht von oben.
Vielleicht scheint ein Jahr für einige eine sehr lange Zeit, für andere ist es dagegen noch ein sehr kurzer Lebensabschnitt, wenn man sich bewusst macht, was an inneren Prozessen und Umbauten stattfindet. Ich bin mir sicher, dass ich, wenn diese Phase vorbei ist und ich in meinem neuen Leben, meinem neuen Ich stehe, ganz anders auf diese Zeit zurückblicken werde. Geduld ist aber hier und jetzt bei mir auch immer wieder ein sehr großes Thema und ist in der Regel keine der Eigenschaften, die der Kontrolle inne wohnen und doch komme ich da immer mal wieder hin und sehe. Sehe durch die Augen der Liebe, sehe mich auf meinem steinigen Weg raus aus den Abgründen und Verwirrungen meines Inneren. Dann sehe ich, wie meine Psyche vor mir ausgebreitet auf dem Boden liegt, wie ein zerlegter Automotor und ich spüre, warum ich mich so sehr darauf konzentrieren muss, diesen Weg tapfer und mit höchster Konzentration weiterzugehen; nämlich um nicht zu vergessen, wo das nächste Teil hingehört.
Kontakte im Außen ziehen deutlich meine Energie und Aufmerksamkeit davon ab, sodass ich einige Zeit brauche, um mich mit dem Puzzle wieder vertraut zu machen. Wenn ein Sammelsurium an negativen Glaubenssätzen bearbeitet wird, Traumaschicht um Traumaschicht sich entfaltet, und die passenden Teile noch nicht ganz zusammengefunden haben, oder auch noch einige komplett fehlen und noch nicht hergestellt wurden, muss man dennoch im Kontakt im Außen eine “ganze Persönlichkeit” sein. Das heißt, es wird in sekundenbruchteilen etwas Provisorisches zusammengesetzt, um überhaupt agieren und reagieren zu können. Das kostet Zeit und Kraft- und es ist ja auch nicht so, dass alle Anteile im Hintergrund geduldig warten und nicht selbstständig agieren und versuchen gewisse Themen wieder zu vergraben und die alten Widerstände wieder aufzubauen. Als würde der Weg verwehen und ich müsste ihn wieder neu suchen und freischaufeln. So erlebe ich es. Und möglicherweise, geht es dir ähnlich und ich möchte dir hier gerne mitgeben, dass du so viel Zeit im Kokon verbringen darfst (und sicherlich auch wirst), wie du für dich brauchst. Es passiert hier so viel, und es ist egal, was die anderen sagen oder denken könnten, egal, was der innere Kritiker sagt, – es geht um dich. Niemand kann sehen, was du leistest, wo du durchgehst, was du dich allem stellst und wie unglaublich tapfer du weitergehst, auch wenn die Sicht gleich Null ist und wie schwer es auch häufig ist, da es kaum Worte für diese innere Welten gibt, die ein anderer verstehen könnte. Es sind deine Welten, es ist, was du erschaffst. Das bist du.
Über die Geduld – Rainer Maria Rilke
Man muss den Dingen die eigene,
stille, ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt,
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann;
alles ist austragen –
und dann gebären …Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos still und weit …Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.
Wer meditiert, kennt es wahrscheinlich: je länger man sitzt, desto mehr Widerstände tauchen auf. Das kann man vielleicht als Analogie zu der Kokonzeit nehmen, bloß dass es sich auf Monate und mehr ausdehnt und sehr viel lebendiger und realer ist, da die gesamte Psyche und der gesamte Körper, ja das gesamte Leben involviert ist. Während der Heilungszeit muss alles raus, was nicht mehr stimmig ist, was noch ungelöst im Herzen weilt und da viele hier derzeit nicht “nur” sich heilen, ihr Karma, sondern häufig sogar noch das von anderen und obendrein Energiefrequenzen aus der Umgebung aufnehmen und heilen, dürfen wir alle Geduld der Welt mit uns haben. Alles, was uns auf dem Weg begegnet, dürfen wir beobachten, fühlen, anerkennen und in Liebe umarmen. Es geht um nichts weniger als die eigene Befreiung der inneren Widerstände und das sanfte Herantasten und Neukalibrieren des Denkens, Fühlens, Verhaltens und Seins.
Ja wir dürfen geduldig, liebevoll und verständnisvoll sein, wenn wir uns im Kokon befinden, und erkennen, dass jede Ungeduld, jeder Ärger und zuweilen auch Scham- und Schuldgefühle diesbezüglich, Teil des Gesamtprozesses sind und nur in wenigen Ausnahmefällen (wenn überhaupt) eine echt Handlungsaufforderung darstellen. Denn ich bin mir sicher, dass wenn meine Zeit gekommen ist, wieder mehr in den Kontakt zu gehen, es ein Wunsch sein wird. Ein Bedürfnis. Ein zartes Wollen. Vielleicht in meinem Fall mit Zweifeln und Überwindung versehen, aber insgesamt ein Impuls, der aus dem Herzen kommt. Einer, der mit einer sanften Freude einhergeht, einem Herzklopfen, einem Ja, jetzt - das ist der nächste Schritt.
Und wenn das manchmal nicht geht, diese Sache mit der Geduld, dann können wir versuchen, geduldig mit der Ungeduld zu sein und sie aus einer liebenden Perspektive betrachten.
Alles Liebe, Anna
Weil ich es so wunderschön finde, hier noch einmal der letzte Teil des Gedichtes von Rilke:
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antwort hinein.
Ein schöner Text und das Universum zeigt Dir, dass Du genau jetzt, genau an dieser Stelle Deiner Reise anfangen darfst mit dem Schreiben.
Darfst.
Denn wie Du richtig schreibst, Du musst nichts.
Du brauchst für Deinen Weg auch keine anderen Menschen. Auch die dürfen allenfalls in Deinem Leben sein.
Und Du brauchst für diesen Weg auch keinen Verstand. Der hindert nur auf dem Weg zu Dir selbst.
FEEL kann Dir auf diesem Weg helfen, denn mit FEEL liegt alles in Deiner Hand.
Ich wünsche Dir eine wunderbare Reise zu Dir selbst - in welcher Zeit auch immer, wie auch immer.
Alles Gute!
PS: Ich verlinke Dich einmal in meiner Empfehlungsliste, denn mein Gefühl sagt mir, dass Du meinen Abonnenten zusagst.
Mach weiter so.